Doktormutter Faust
Schauspiel von Fatma Aydemir (*1986)
»Dein Ernst, ja? Faust?« – fragt eine Theaterdirektorin die Dichterin im »Vorspiel auf dem Theater« – »Faust ist so misogyn!« Ein junges Mädchen wird von einem »alten Mann« verführt. Aber was, wenn Gretchen nicht mehr nur das Objekt männlicher Begierde wäre, sondern Faust und Gretchen in einer Figur vereinigt würden? Nämlich in Dr. Margarethe Faust, Dozentin für Gender Studies, genannt »Prof. Genderterror«. Sie hat studiert – »leider auch Theologie« – ist hoch renommiert, doch jetzt als Kindsmörderin diskreditiert. Nachdem sie einer Studentin mit Fakultätsgeldern eine Abtreibung finanziert hat, droht ihr hart erarbeiteter Ruf als Wissenschaftlerin nun in einer rechten Hasskampagne unterzugehen. Du darfst dich den Anfeindungen nicht beugen, warnt ihre Assistentin Valeria. Doch der Dekan will Dr. Faust suspendieren. Da lässt sich Margarethe Faust versuchen, von Mephisto, dem Satan, der ihr wieder soziale Anerkennung verspricht und einen »Augenblick, zu dem sie sagen will: Verweile doch, du bist so schön!«. Kaum hat Faust den Pakt mit Mephisto geschlossen, gerät sie in einen Strudel zwischen Lebenslust und Entgleisung, Verantwortung und Rücksichtslosigkeit, an dessen Ende sie sich selbst die Gretchenfrage stellen muss: Wie hast du’s mit der Integrität? Ist sie für den jungen, hübschen Studenten Karim wirklich nur eine fachlich unterstützende Doktormutter oder nutzt sie ihre Machtposition aus? Fatma Aydemirs neuestes Stück ist eine tiefgründige, aufrüttelnde Auseinandersetzung mit Goethes Klassiker, die das Vorbild ehrt und trotzdem kritischunterhaltsam aktualisiert. Aydemir fragt nicht nach Opfer oder Täter, sondern wirft einen Blick auf die Zwischentöne, auf die offene Debatte, für die zwischen Shitstorm und Populismus oft kein Platz mehr ist.
Webseite: https://www.theater-plauen-zwickau.de/spielplan.php?id=2360